Von Isabel Bredenbröker

Es war einmal zu einer Zeit, in der die Zeitung noch das führende Medium für die neuesten politischen Ereignisse war. Im Paris des 19. Jahrhunderts erschienen bis zu sechs Ausgaben täglich, die die Leser mit den aktuellsten Meldungen versorgten. Heute kennen wir das Extrablatt meist nur noch aus Filmen, was in der Welt passiert ist lassen wir uns ganz aktuell vom Radio, dem Fernsehen oder dem Internet erzählen.

Die damaligen Erscheinungsintervalle einer Tageszeitung sind heute vergleichbar mit der Häufigkeit, in der wir unsere Datenpost checken. Insofern erscheint die Welt der dicknasigen, stocksteifen, kaffeetrinkenden Bourgeoisie, die Honoré Daumier in seinen Karikaturen für die Zeitung “Charivari” über die Pressekultur darstellt, anheimelnd nostalgisch. Die Ausstellung im Museum für Kommunikation öffnet ein Fenster direkt ins alte Paris. Daumier ging mit seinen fein skizzierenden Drucken nicht nur wider den tödlichen Ernst und Elitedünkel vor, erspielte mit dem kritischen Potenzial des Mediums Zeitung und Bild. Die Karikaturen erschienen in den oppositionellen Journalen, um das Medium Zeitung, regimetreue Propagandablätter und den Leser mit seinen Gewohnheiten zu beleuchten. Mit Vorliebe stellt er die Bourgeoisen in ihren städtischen Lebensräumen wie dem Café, am Arbeitsplatz oder daheim dar, der Zeitungslektüre verfallen oder sie kommentierend. So sieht man bei Daumier Menschen im Schlafrock, die auf ihren Zeitungen liegen, da das Format permanent vergrößert wurde, um die Wichtigkeit des Blattes zu unterstreichen. Missachtete Feministinnen ziehen ein Gesicht, als hätten sie in eine saure Zitrone gebissen, gutbürgerliche Männer spähen über ihre Brillen und fachsimpeln tatenlos. Damals begann die Hochzeit der Satirezeitschriften, was den Karikaturisten aber nicht nur Sympathisanten bescherte: Daumier landete 1832 wegen Majestätsbeleidigung im Gefängnis.

1. Juli 2008, Berliner Morgenpost